SAND IM BEZIEHUNGSGETRIEBE

Sabine und Herrmann sind seit 16 Jahren verheiratet. Sabine führt den Haushalt und kümmert sich um die Erziehung der beiden Söhne, die mitten in der Pubertät sind. Sie hat den Eindruck, Herrmann würdigt überhaupt nicht, was sie alles tut.

Herrmann geht jeden Morgen um 7 Uhr aus dem Haus. Er hat einen langen Anfahrtsweg zu seiner Arbeit.
Sie sind damals aufs Land gezogen, damit die Kinder frische Luft und Raum zum Spielen haben. Herrmann ist Manager in einem großen Unternehmen, trägt Verantwortung für die 250 Mitarbeiter in seiner Abteilung.

Er kommt am Abend gegen 20 Uhr nach Hause. Herrmann ist hundemüde und möchte sich am liebsten mit einem Glas Wein und einem Buch oder guter Musik zurück ziehen. Statt dessen steht Sabine mit sauerer Miene in der Küche und fährt ihn an: „Wieso bist du schon wieder so spät? Nie bist du rechtzeitig zum Abendessen daheim.“

Er entgegnet unwirsch: „Es gab noch ein wichtiges Projektgespräch. Danach habe ich mich beeilt, schnell nach Hause zu kommen.“

Sabine keift weiter: „Jaja, immer das Geschäft… Sind wir dir überhaupt nicht wichtig? Du lässt mich mit der Kindererziehung und dem Haushalt alleine und scherst dich überhaupt nicht darum wie es mir geht!“

Nun wird Herrmann ärgerlich: „Ich reisse mir für euch die Beine heraus, damit ihr ein gutes Leben habt. Die Anforderungen im Geschäft werden immer höher. Ich kämpfe jeden Tag da draußen und sehe zu, dass ich meinen Job behalte. Du meckerst ständig an mir rum. Nichts kann man dir recht machen…“, dreht sich um und verlässt den Raum.

KEINER FÜHLT SICH WERTGESCHÄTZT

Solche Szenen gibt es in der letzten Zeit häufiger. Keiner fühlt sich vom anderen wertgeschätzt. Wenn sie sich früher gestritten hatten, gab’s meistens Versöhnungssex und alles war wieder in Ordnung. Heutzutage gibt’s höchstens zwei Mal pro Monat Sex, eher weniger.

Die beiden sind momentan nicht in der Lage darüber zu sprechen, was jeder für sein Glück braucht und dafür zu sorgen, dass sie es bekommen. Statt dessen schiebt einer dem anderen die Schuld in die Schuhe. Sie sehen sich nicht mehr als die liebenswerten Menschen, die sie sind und nehmen aus lauter Unzufriedenheit nur noch die Unzulänglichkeiten des anderen wahr.

Nun stehen sie vor der Entscheidung so weiter zu machen, sich zu trennen oder wieder einen Weg zusammen zu finden.

Sabine möchte ihre gespannte Beziehung wieder in eine harmonische wandeln, wie es früher war. Sie vereinbart also mit Herrmann einen Termin am Wochenende. Sie einigen sich darauf an den See zu fahren. Alleine, ohne die Kinder.

RITUAL FÜR DEN NEUANFANG

Paarübung gegenüber

Sie lassen sich an einer ruhigen Stelle auf der mitgebrachten Decke nieder. Setzen sich auf Kissen im Schneidersitz gegenüber und Sabine erklärt, was sie vor hat. Einer der beiden fängt an, dann werden die Rollen gewechselt. Die Regel: während einer spricht, hört der andere zu. Keine Antworten, keine Rechtfertigungen, keine Erklärungen…

Zunächst schließen sie die Augen. Tiefe Atemzüge und lautes Seufzen beim Ausatmen helfen ihnen beim Ankommen in diesen Augenblick.

Nach einer Weile öffnen beide die Augen. Herrmann ist zuerst dran. Er packt er alles aus, was ihm nicht gefällt an der momentanen Beziehungssituation. Wichtig dabei ist, dass er Sabine keine Vorwürfe macht! Er spricht immer aus der Ich-Perspektive. Und Sabine hört nur zu.

Nachdem Herrmann fertig ist, kommt Sabine dran.

Danach sitzen sich beide wieder mit geschlossenen Augen gegenüber. Jeder spürt in sich hinein, die Hände auf dem Herzen ruhend. Was spricht das Herz, was sind meine Wünsche und Sehnsüchte?

Jetzt ist Herrmann wieder dran: Wenn er bereit ist, spricht er, was sein Herz ihm sagt. Dabei schaut er Sabine an. Dann fragt sie ihn: „Was hindert dich daran diese Wünsche und Sehnsüchte in dein Leben zu holen?“ Herrmann sagt, was ihn davon abhält.

Danach erzählt er Sabine was er braucht. Sabine ist nach wie vor nur am Zuhören und gibt Herrmann den Raum sich zu äußern. Es ist lange Zeit her, dass sie Herrmann wirklich gesehen hat.

Später kommt Sabine an die Reihe. Auch Herrmann hört ihr aufmerksam zu und ist überrascht zu hören, was seine Frau wirklich bewegt.

Als beide ausgesprochen haben, nehmen sie sich bei den Händen und schauen sich eine Weile in die Augen. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, an den anderen eine Bitte zu richten, was er gerne in diesem Augenblick von ihm möchte. Herrmann möchte gerne von Sabine gehalten werden. Sabine macht das gerne und so sitzen sie ein paar Minuten und genießen seit Langem die Nähe miteinander.

Sabine möchte, dass Herrmann ihr den Rücken streichelt. Auch für Herrmann ist es kein Problem ihrer Bitte nach zu kommen. (Jeder hat die Möglichkeit, wenn die an ihn gerichtete Bitte für ihn nicht stimmig ist, diese sanft abzulehnen. Man sollte dann schauen, was für beide passend ist.)

Zum Ende des Rituals sitzt sich das Paar wieder eine Weile an den Händen haltend und in die Augen schauend gegenüber und sie finden ihren individuellen Abschluss.

Dieses Ritual bringt die beiden wieder sehr viel näher und ist die Basis für eine Neuausrichtung ihrer Beziehung.

Ich lade dich ein, dieses Ritual mit deinem Partner/in auszuprobieren. Auch wenn ihr nicht in einer solch verfahrenen Situation steckt, bringt diese Übung euch sehr nahe.